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Tanzender Boxer

Gedenken an den Völkermord der Sinti und Roma – von Barbara Manterfeld-Wormit


Fernsehen verblödet, sagen manche. Stimmt nicht, wenn man das richtige schaut: Die Serie Babylon Berlin gehört für mich dazu. Die letzte Staffel habe ich gerade in der Mediathek nachgeschaut. Top-Besetzung, die Handlung spielt im Berlin der frühen 30er Jahre: Inflation und Hitlerputsch, die Nationalsozialisten streben an die Macht, es herrschen soziale Ungerechtigkeit, Armut und Gewalt auf den Straßen. Und wie immer suchen die Berliner trotzdem das Vergnügen. Zum Beispiel beim Boxkampf.
Viele Figuren der Handlung sind frei erfunden, andere gab es wirklich: Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann zum Beispiel, von dem ich bis dahin noch nie etwas gehört habe, weil Boxen mich nicht wirklich interessiert. Bei Babylon Berlin aber wird geboxt und gewettet. Trollmann ist der neue Stern am Boxerhimmel. Er boxt nicht, er tanzt, tänzelt um den Gegner mit einer Leichtigkeit und Eleganz, die einen staunen und ihn beinahe jeden Wettkampf gewinnen lässt. Ich wollte mehr über den Sportler wissen: Johann Trollmann stammte aus einer Sintifamilie. Als Sinto hatte er noch einen weiteren Vornamen in der Sprache der Sinti und Roma: Rukeli – das bedeutet schöner, biegsamer Baum. Und genauso bewegte er sich: biegsam, elegant und ästhetisch. All das wurde ihm genommen.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde Trollmann sein Meistertitel aberkannt. Am 23. Dezember 1935 - kurz nach seiner Heirat und Geburt seiner Tochter wurde er zwangssterilisiert. Er wurde von der Wehrmacht eingezogen und nach seiner Rückkehr von der Front in einem Arbeitslager inhaftiert. Im Februar 1943 erschlug man ihn im KZ-Außenlager Wittenberge.
Sein Titel als Deutscher Meister im Halbschwergewicht wurde ihm erst 2003 nachträglich anerkannt. Sein ehemaliger Manager ließ einen Preisgürtel anfertigen, der den Angehörigen im Rahmen einer Gedenkstunde überreicht wurde. Babylon Berlin erzählt seine Geschichte weiter. Ich bleibe an seinem Namen hängen: Rukeli – der biegsame Baum. Im Buch der Psalmen steht er für ein gesegnetes Leben. Dort heißt es: Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen, der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht. Heute ist der Gedenktag an den Völkermord an den Sinti und Roma – und an Johann Wilhelm Rukeli Trollmann.   


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