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RSSPrint

Diskurs

Worte auf den Weg/Worte für den Tag von Generalsuperintendent Kristóf Bálint

Unsere Gesellschaft lebt vom Diskurs. Die Demokratie auch. Das gehört dazu: um den rechten Weg ringen. Dinge zuspitzen. Probleme markieren.
Dabei wird gern vergessen, dass eine Diskussion eine unverhandelbare Grundlage hat: das gegenseitige Zuhören. In der Antike bis weit ins Mittelalter gehörte Rhetorik zu den sieben freien Künsten, die die Studenten absolvieren mussten. Sonst durften sie nicht Jurist, Mediziner oder Theologe werden.
Dabei gab es verschiedene Prinzipien. Studenten mussten ihrem Gegenüber zuhören und dessen Argumentation wiedergeben. Sie mussten die Argumente des Gegenübers wiedergeben und eigene Argumente dagegensetzen können. Und schließlich: Studenten mussten die Argumente des Gegenübers vertreten als wären es die eigenen.
Ich wünschte, das hätte es in meiner Schulzeit auch gegeben, aber in der DDR war eigenes Denken nicht gewollt.
Heute habe ich bei manchen Fernsehtalkshows den Eindruck, dass kaum jemand zuhört. Kaum jemand ist an Argumentation, an These, Antithese und Synthese interessiert. Kaum einer will an Erkenntnis wachsen, denn fast alle Argumente werden ignoriert oder niedergebügelt, ganz selten nur wird zugehört. Dabei kommt es gerade darauf an. Sichtweisen werten, sich selbst in Frage stellen, Argumente übernehmen, wenn sie gut und stichhaltig sind. Sonst drohen Stillstand und Depression. Aus Depression aber wächst Frust, und dann wird schnell alles in Bausch und Bogen niedergemacht.
Im Neuen Testament gibt es eine Geschichte, in der zwei Menschen so depressiv nach Hause gehen und sich ein Dritter hinzugesellt. Aus Smalltalk entsteht ein Diskurs. Der Fremde hört zu. Er lässt die anderen zu Wort kommen, nimmt ihre Argumente auf und lenkt ihren Blick nach vorn, eröffnet Zukunft und Perspektive. Zwei Jünger trauern um den gekreuzigten Jesus unterwegs in das Dorf Emmaus. Und finden Hoffnung im Gespräch. Im Austausch und Zuhören. Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?  werden sie hinterher sagen. Einen solchen Diskurs wünsche ich uns und unserer Gesellschaft. Dass wir uns zuhören, uns ermutigen, uns an unseren Argumenten reiben und gemeinsam Lösungen finden, die tragfähig sind. Nicht siegen wollen, sondern den Blick nach vorn richten. Gemeinsam. In die Zukunft.


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