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Barbarazweige und Aufstand im Iran

WORTE AUF DEN WEG / WORTE FÜR DEN TAG von Pastor Thomas Steinbacher, Ev.-methodistischen Kirche Berlin

Gestern war Barbaratag. Wir haben bei uns zuhause Zweige in eine Vase gestellt. Ein alter christlicher Adventsbrauch: man schneidet dazu Birken- oder Kirschzweige. Und wenn die Vase an einem nicht allzu kalten Platz steht und jeden Tag ein bisschen die Dezembersonne drauf scheint, ja, dann fangen die Zweige nach 20 Tagen an zu blühen, also exakt zu Weihnachten. Mitten im Winter. Ein schönes Symbol für die Hoffnung, die wir in der Adventszeit feiern: dass nicht Kälte und Tod das letzte Wort haben, sondern am Ende das blühende Leben gewinnt.
Und warum "Barbara"-Tag und "Barbara"-Zweige? Wegen der Heiligen Barbara. Im 3. Jahrhundert soll sie in Kleinasien gelebt haben, östlich von Konstantinopel. Das Besondere an ihr:
Sie wurde aus eigener Entscheidung heraus Christin. Deshalb sträubte sie sich auch gegen die für sie vorgesehene Ehe und bekam Stress mit ihrem Macho-Vater. Der schäumte vor Wut, sah die Familienehre in den Dreck gezogen und ließ Barbara vor ein Gericht zerren. Wie konnte sie als Tochter und Frau in einer Männergesellschaft es wagen, eine eigene Meinung, ja sogar einen eigenen Glauben zu haben!
Barbara ließ trotz aller Drohungen nicht von ihrem Glauben ab. Die Legende erzählt, dass sie die Zweige, die an ihrem Kleid auf dem Weg in den Kerker hängen blieben, in eine Schale mit Wasser stellte. An dem Tag, an dem das Todesurteil an ihr vollstreckt wurde, erblühten die Zweige. Barbaras letzte Worte sollen diese gewesen sein: "Du schienst wie tot, aber du bist aufgeblüht zu neuem Leben. Ich werde sterben müssen, aber zu neuem Leben erblühen."
Ich muss in diesen Tagen an die Frauen im Iran denken, die sich auch gegen ein menschenfeindliches Macho-System wehren. Aus Protest gegen die Mullahs stellen sie sich auf die Straßen und Plätze, reißen sich die verhassten Schleier vom Kopf, schneiden sich öffentlich die Haare kurz. Wie einst die Heilige Barbara wollen sie selber entscheiden, was sie glauben, wen sie lieben, wie sie beten, was sie lernen und wie sie leben wollen. Dieser Mut und diese Wut der Frauen hat die ganze Gesellschaft im Iran ergriffen. Und wir? Wir hoffen und beten, dass sie am Ende gewinnen. Dass die Hoffnung gewinnt. Dass das Leben siegt.

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