Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Abwarten und Tee trinken

WORTE AUF DEN WEG / WORTE FÜR DEN TAG 7. Dezember von Pastor Thomas Steinbacher, Ev.-methodistischen Kirche Berlin

Abwarten und Tee trinken. Geduldig bleiben. Ob ich das nochmal lerne?
Ich beneide Leute, die das können, die unter diesem Motto durchs Leben spazieren. Und durch die Adventszeit. Geduldig und gelassen. Mein Ding ist das nicht. Schlange stehen etwa, ist mir ein Gräuel! Vielleicht, so rede ich mir ein, ist das mein Ost-Trauma. In der DDR, wo ich groß geworden bin, musste man ja immer für irgendwas endlos lange anstehen. Mich machen Warteschlangen bis heute kirre. Und im Wartezimmer beim Arzt fühl ich mich gleich noch ein bisschen kränker als ich eh schon bin, je länger ich da sitze. An der roten Fußgängerampel zähle ich die Sekunden, bis es endlich grün wird. Und dann bin ich der erste, der losstürmt.
Verrückt, oder? Bin ich da doch dem Kapitalismus auf den Leim gegangen? Der Kunde darf schließlich nicht warten, die Erfüllung muss sofort her, die Dinge müssen schnell gehen. Zack, zack, heute bestellt, am selben Tag geliefert. Advent ist da das genaue Gegenteil. Abwarten und Tee trinken. Die Zeit vor Weihnachten ist von alters her Wartezeit. Vorbereitungszeit. Hoffen auf das Geschenk, auf den guten Ausgang. Auf die Geburt des Kindes. Es geht darum, Geduld zu lernen. Und dabei zu entdecken, dass Vorfreude die schönste Freude ist. Nicht alles gleich und auf einmal, zack zack, sofort und gefälligst ein bisschen plötzlich – sondern: Warten lernen. Das Warten regelrecht kultivieren. Zu diesem Zweck gibt es diese adventlichen Bräuche und Traditionen. Zum Beispiel: ADVENTSKALENDER. Da lernen schon unsere Kinder, wie blöd es ist, wenn man gleich alle Türen am ersten Dezember öffnet und die Süßigkeiten auf einmal wegnascht. Und auch der ADVENTSKRANZ ist ein Trainingsgerät für die Geduld. Der Theologe und Sozialreformer Johann Hinrich Wichern hat ihn im 19. Jahrhundert erfunden. Die ungeduldigen Waisenkinder in seinem Rauhen Haus zu Hamburg fragten immer: Wann ist denn endlich Weihnachten? Wann kommt denn endlich das Christkind?
Wicherns erster Adventskranz bestand aus einem großen Wagenrad mit 24 Kerzen. Und die wurden eben nicht gleich alle am ersten Tag angezündet, sondern jeden Morgen eine mehr, bis endlich Weihnachten war. Der Lerneffekt: Geduld lohnt sich, Warten kann schön sein, Vorfreude ist die schönste Freude. Wer sich dagegen alles auf einmal holt, verpasst am Ende das Glück.

Sendung hören